Zu den Anforderungen an den Vortrag für eine vom Gericht vorzunehmende Schadensschätzung bei Mietwagenkosten

AG Freiburg Urteil vom 28.7.2006, 10 C 1270/06

Anforderungen an den Vortrag für eine vom Gericht vorzunehmende Schadensschätzung bei Mietwagenkosten

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 218,62 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.04.2006 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 70 % und der Kläger zu 30 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Höhe einer Schadenersatzforderung des Klägers gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer wegen eines von ihrer Versicherungsnehmerin verschuldeten Verkehrsunfalls.

Der Kläger begehrt restlichen Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall in Freiburg vom 11.05.04. Durch den Unfall wurde sein PKW, ein Peugeot XR mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXXX, beschädigt. Alleinschuldhaft verursacht hat den Unfall eine Verkehrsteilnehmerin mit dem bei der Beklagten kraftfahr-haftpflichtversicherten PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXX.

Für die Dauer der Reparatur seines Fahrzeugs vom 12.05.04 bis zum 19.05.04 mietete der Kläger bei der Firma XXXX in Freiburg ein gruppengleiches Ersatzfahrzeug an. Die Firma XXXX stellte ihm hierfür Euro 1.252,80 in Rechnung. Die Beklagte hat die Mietwagenkosten in Höhe von Euro 620,00 reguliert. Am 27.07.2005 hat sie gegenüber dem Kläger erklärt, dass sie ihn von etwaigen Forderungen der Autovermietung XXXX freistelle. Der Kläger hat die Mietwagenrechnung der Firma XXXX bisher nicht beglichen.

Der Kläger ist der Auffassung,

dass die Beklagte die Mietwagenkosten in Höhe von insgesamt Euro 912,00 erstatten müsse, so dass weitere Euro 292,00 anzuweisen seien. Denn die Beklagte schulde jedenfalls den anhand des dreifachen Satzes der Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch gemäß § 287 ZPO zu schätzenden Herstellungsaufwand. Der Kläger räumt ein, dass er es versäumt habe, sich nach einem günstigeren als dem ihm angebotenen Tarif zu erkundigen. Aus diesem Grunde mache er jedoch gerade nicht den gesamten in Rechnung gestellten Betrag, sondern nur den nach § 287 ZPO zu schätzenden erforderlichen Herstellungsaufwand geltend. Eine geeignete Schätzgrundlage stelle die Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch dar. Hieraus ergebe sich bei einer Mietdauer von 8 Tagen für ein Fahrzeug der Fahrzeuggruppe 4 (Schwacke-Liste Automietwagenklassen) ein Tagessatz von Euro 38,00, mithin ein täglicher Herstellungsaufwand von Euro 114,00 und ein geschuldeter Gesamtherstellungsaufwand von Euro 912,00.

Der Kläger ist weiter der Auffassung, dass er sich nicht auf einen Freistellungsanspruch verweisen lassen müsse, sondern Erstattung der Mietkosten verlangen könne, da der mit der Freistellung bezweckte Erfolg, die Entlastung des Geschädigten, im vorliegenden Fall nicht eintreten würde. Vielmehr liefe er Gefahr, seinerseits in einen Rechtsstreit mit dem Autovermieter verstrickt zu werden. Hierzu sei er nicht verpflichtet.

Der Kläger macht außerdem angefallene außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von Euro 22,62 geltend (1/2 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2004 VV RVG 1,3 aus Euro 201,00 zzgl. Auslagen und Mehrwertsteuer).

Der Kläger beantragt daher,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Euro 314,62 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung,

dass der Kläger lediglich einen Anspruch auf die von ihr am 27.07.2005 erklärte Freistellung von etwaigen Forderungen der Autovermietung XXXX gehabt habe. Mit dieser Erklärung sei dem Anspruch des Klägers Genüge getan.

Die Beklagte trägt zudem vor, dass der von der Firma XXXXX in Rechnung gestellte Betrag von Euro 1.252,80 nicht zur Grundlage der Berechnung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten herangezogen werden könne, weil es sich bei dem abgerechneten Tarif um einen Unfallersatzwagentarif handle, der nicht den zur Schadensbeseitigung erforderlichen Aufwand gemäß § 249 Abs. 1 BGB darstelle. Auch die Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch könnten zu einer Schätzung gemäß § 287 ZPO nicht herangezogen werden, da sie auf Unfallersatztarifen beruhten.

Grundlage der Berechnung des zur Herstellung erforderlichen Geldbetrages müsse der „Normaltarif“ sein. In Folge unfallbedingter Mehraufwendungen könne es zwar unter Umständen zu einem pauschalen Aufschlag auf den „Normaltarif“ kommen; damit eine Schätzung der Höhe der Mehraufwendungen aber überhaupt möglich sei, müsse der Kläger die entsprechenden Mehraufwendungen darlegen und beweisen. Erst wenn die unfallbedingten Mehraufwendungen feststünden, könne die Höhe der tatsächlich angefallenen Kosten gemäß § 287 ZPO geschätzt werden.

Die Beklagte behauptet, dass bei der Autovermietung XXXXX im „Normalgeschäft“ für die Vermietung eines Fahrzeugs der fraglichen Klasse Euro 416,00, also weniger als 50 % des dem Kläger in Rechnung gestellten Preises berechnet worden wäre.

Die Beklagte ist außerdem der Auffassung, dass hinsichtlich der Fahrzeugklasse des anzumietenden Ersatzfahrzeugs jedenfalls nicht die „Schwacke-Liste Automietwagenklassen“, sondern die „Schwacke-Liste Nutzungsausfallentschädigung“ maßgeblich sei. Da das klägerische Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt älter als 5 Jahre gewesen sei (Erstzulassung am 30.09.1998), sei es nicht in die Gruppe C, in die es im Neuzustand einzustufen wäre, sondern in die Gruppe B einzustufen. Danach ergebe sich ein Tagessatz von Euro 29,00. Die Beklagte schulde demnach allenfalls einen Restbetrag von Euro 76,00.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

A. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Erstattungsanspruch in Höhe von Euro 196,00 zu.

Insgesamt kann der Kläger von der Beklagten gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG die Erstattung von Mietwagenkosten in Höhe von Euro 816,00 verlangen. Nachdem die Beklagte bereits Euro 620,00 reguliert hat, sind noch Euro 196,00 offen.

1.Der Kläger kann gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen und muss sich nicht auf einen Freistellungsanspruch gegenüber der Autovermietung verweisen lassen. Denn die während der Reparatur des eigenen Fahrzeugs entstehenden Mietwagenkosten für ein Ersatzfahrzeug sind dem erforderlichen Herstellungsaufwand i. S. d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zuzurechnen. Nach dieser Vorschrift kann der Geschädigte abweichend von § 249 Abs. 1 BGB anstelle der Herstellung durch den Schädiger den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Geschädigte die Mietwagenrechnung bereits beglichen hat. Denn der Schaden des Klägers liegt in der Eingehung einer Verbindlichkeit, die er mit Anmietung des Ersatzfahrzeugs begründete. Der Schaden ist somit bereits zu diesem Zeitpunkt entstanden.

Der Schaden des Klägers ist auch durch die Freistellungserklärung der Beklagten nicht entfallen. Denn der mit der Freistellung bezweckte Erfolg, den Geschädigten zu entlasten, tritt im vorliegenden Fall nicht durch die Freistellungserklärung ein. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass dem Kläger über die bereits erfolgte Zahlung hinaus keine weiteren Ansprüche zustehen. Insofern soll der Kläger durch die Freistellung nicht von weiteren Zahlungen an die Autovermietung freigestellt werden. Die Beklagte beabsichtigt nicht, die über den an den Kläger bezahlten Betrag hinausgehenden Ansprüche der Autovermietung zu erfüllen. Als Vertragspartner wäre der Kläger somit weiter den Ansprüchen der Autovermietung ausgesetzt. Eine Entlastung träte nicht ein.

2. Der Kläger ist berechtigt, die ihm von der Beklagten zu erstattenden Mietwagenkosten anhand des dreifachen Satzes der Nutzungsausfalltabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch zu berechnen.

Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist dem Geschädigten der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag zu ersetzen. Dieser kann nicht ohne weiteres mit einem besonderen Tarif für Mitwagen nach Unfällen gleichgesetzt werden, sondern nur, soweit er zur Herstellung des Zustandes, der ohne die Schädigung bestehen würde, tatsächlich erforderlich ist. Vorliegend hat es der Kläger versäumt, sich bei weiteren Autovermietungen nach deren Tarifen erkundigen. Aus diesem Grunde macht er aber gerade nicht den von ihm bezahlten Unfallersatztarif, sondern die von ihm für erforderlich gehaltene Vergütung in Gestalt des dreifachen Satzes der Nutzungsausfalltabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch geltend.

Der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag kann auf Grundlage des Klägervortrags gemäß § 287 ZPO vom Gericht geschätzt werden. Hierzu hat der Kläger vorgetragen, dass er während der Reparatur seines Fahrzeugs infolge des Unfalls zur Deckung seines Mobilitätsbedarfs für die Dauer von 8 Tagen ein gruppengleiches Ersatzfahrzeug anmieten musste. Damit hat der Kläger insbesondere die besondere Unfallsituation dargelegt, die allgemein mit der Besonderheit einhergeht, dass weder eine Vorabreservierung des Ersatzfahrzeugs noch eine Festsetzung des Mietzeitraums im Voraus möglich sind.

Diese Angaben sind für eine Schätzung des Gerichts gemäß § 287 ZPO ausreichend. Der Kläger konnte aufgrund der speziellen Unfallsituation keinen beliebigen Tarif wählen. Insofern kam der von Beklagtenseite behauptete Tarif der Autovermietung Jakobi im „Normalgeschäft“ für den Kläger nicht in Betracht. Vielmehr sind aufgrund der vorliegenden besonderen Unfallsituation auch über diesen Tarif hinausgehende Mietwagenkosten wirtschaftlich gerechtfertigt und insofern erforderlich i. S. d. § 249 BGB.

Für die Schätzung gemäß § 287 ZPO kann nach ständiger Rechtsprechung der Berufungskammern des LG Freiburgs das Tabellenwerk Sanden/Danner/Küppersbusch herangezogen werden. Auch der BGH (Urt. v. 23.11.2004 – VI ZR 357/03, NJW 2005, S. 277) hat die Heranziehung dieser Tabelle im Zusammenhang mit Nutzungsausfallentschädigungen als anerkannte Grundlage zur Schadensschätzung bestätigt. Vorliegend geht es zwar nicht um Nutzungsausfall, sondern um die Bemessung von Mietwagenkosten. Das Tabellenwerkes Sanden/Danner/Küppersbusch geht aber bei der Berechnung des Nutzungsausfalls von den durchschnittlichen Mietsätzen für PKW aus. Hiervon werden Unternehmergewinne und weitere bei einer privaten Nutzung nicht anfallende Kosten abgezogen. Die sich ergebenden Beträge liegen bei etwa 35 % der durchschnittlichen Mietwagenkosten. Die durchschnittlichen Mietwagenkosten können also durch eine Verdreifachung des Nutzungsausfallsatzes nach Sanden/Danner/Küppersbusch ermittelt werden.

3. Hinsichtlich der Frage der Klassifizierung des Fahrzeugs des Klägers ist die „Schwacke-Liste Automietwagenklassen“ und nicht etwa die „Schwacke-Liste Nutzungsausfallentschädigung“ maßgeblich. Denn im vorliegenden Fall hat der Kläger ein Ersatzfahrzeug angemietet. Die Nutzungsausfallentschädigungstabelle ist aber nur einschlägig für die Fälle, in denen kein Ersatzfahrzeug angemietet wird und der Geschädigte nur Entschädigung für den Nutzungsausfall geltend macht. Dagegen hat, wenn tatsächlich ein Ersatzfahrzeug angemietet wird, die Einstufung des Fahrzeugs nach der Automietwagenklassentabelle zu erfolgen. Auch der Umstand, dass zur Schätzung der erforderlichen Herstellungskosten die Nutzungsausfalltabelle Sanden/Danner/Küppersbusch herangezogen wurde, führt nicht dazu, dass hinsichtlich der Frage, ein Fahrzeug welcher Klasse der Geschädigte anmieten darf, auf Nutzungsausfalltabellen zurückgegriffen werden müsste. Denn hierbei handelt es sich um zwei verschiedene Fragestellungen. Im Übrigen wird das Tabellenwerk Sanden/Danner/Küppersbusch deshalb herangezogen, weil der dreifache Satz der Nutzungsausfallentschädigung den durchschnittlichen Mietkosten entspricht. Sie dient vorliegend also der Ermittlung der Mietwagenkosten und nicht der Berechnung des Nutzungsausfalls.

4. Bei der Berechnung der durchschnittlichen Mietkosten nach Sanden/Danner/Küppersbusch ist die Fahrzeuggruppe 3 zugrunde zu legen. Das beschädigte Fahrzeug des Klägers, ein Peugeot XR, ist im Neuzustand der Fahrzeuggruppe 4 (Schwacke-Liste Automietwagenklassen) zuzuordnen. Da das streitgegenständliche Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt älter als fünf Jahre war (Erstzulassung am 30.12.1998) ist eine Gruppe zum Abzug zu bringen. Für ein Fahrzeug der Fahrzeuggruppe 3 beträgt der einfache Tagessatz Euro 34,00, der dreifache Tagessatz Euro 102,00. Bei einer Mietdauer von 8 Tagen folgt daraus ein geschuldeter Herstellungsaufwand von Euro 816,00.

B. Dem Kläger steht weiter ein Schadenersatzanspruch gemäß § 280 BGB auf Erstattung der ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten in Höhe von 22,62 Euro zu.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

D. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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